„In Zeiten von Fachkräftemangel, wirtschaftlichem Druck und gesellschaftlichen Herausforderungen wird leider oft die „Fellpflege“ vernachlässigt.“

Warum Methodenkompetenz so wichtig ist und kleine Schritte einen großen Unterschied machen können, damit ein Team gut arbeiten kann und zufrieden ist, das erklärt uns Karin Probst im Interview. Sie ist zertifiziert als systemische Business Coach und Agile Coach und die Dozentin der Seminare "Methodenkoffer für gute Teamzusammenarbeit und Teamboard - das Tool für eine bessere Kommunikation im Team".

PAS: Was zeichnet ein gelassenes agiles Mindset?

Karin Probst: Wie sagt man so schön: "A fool with a tool is still a fool.“

Alle Werkzeuge der Agilität ruhen auf einer wertorientierten Haltung, von Respekt, Transparenz, Mut und Commitment. Es stimmt Teams gelassen, wenn sie wissen, sie können gemeinsam die Herausforderungen meistern, ihr Umfeld selbstorganisiert gestalten und dabei Zeit voll Qualität erleben. Ein Zusammenhalt, in dem ich mir sicher bin, dass Werte wirklich gelebt werden, dass ich sinnvoll und in Qualität arbeiten kann, ermöglicht Zuversicht, Gesundheit und Arbeit im oberen Drittel der eigenen Qualifikation.

PAS: Inwiefern sind Ihre Seminar praxisnah und interaktiv?

Karin Probst: Wir wenden die Werkzeuge, wie z.B. die Liberating Structures, Scrum, Ishikawa oder die "7 Flüsse der Verschwendung" immer direkt an, tauschen uns aus und passen sie an die individuellen Gegebenheiten an. Oft höre ich dann: Wie sollen wir das alles schaffen, wir sind doch sowieso schon am Rand - dann fällt mir ein Satz ein, den mal eine Teilnehmerin gesagt hat: Wir waren so beschäftigt, die Hühner zu suchen, dass wir keine Zeit hatten, die Zäune zu setzen. Diese gütige Selbstreflexion, gepaart mit viel Austausch in den Gruppen wird oft als kurzweilig erlebt.

PAS: Welche Bedeutung haben GfK (Gewaltfreie Kommunikation) oder New-Work im Methodenkoffer? Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Karin Probst: Stress haben wir immer, wenn es anders ist, als wir es eigentlich gerne hätten, wenn also wichtige Bedürfnisse tangiert werden. Manchmal gelingt es uns, über unsere Bedürfnisse, über unsere Werte zu sprechen, und manchmal, wenn eh schon viel los ist, spricht man eher in den Raucherecken über all das, was nicht ist. Das ist dann genauso hilfreich, wie wenn man beim Einkaufen sagen würde "Ich möchte keine Brezeln"! Um wieviel hilfreicher wäre es doch, gleich konkret 5 Dinkelsemmeln zu bestellen? Die Tools beginnen also ganz klein bei der Art zu kommunizieren, zum Beispiel mal eine Woche Lästerfasten auszuprobieren, oder jedes "Müssen" konsequent zu ersetzen durch ein "Ich will" oder ein "Mir ist wichtig, dass..." und gehen über eine nüchterne Bedürfnisanalyse in einen gemeinsamen "Nordstern" als Fixpunkt einer Reise in stürmischen Zeiten.

All die Werkzeuge helfen, raus aus der Problemtrance hin zu einer machbaren Veränderung in kleinen Schritten zu kommen. Es hat mich sehr berührt, zu erleben, wie Marshall B. Rosenberg Angriffe, Vorwürfe und Abwertungen "übersetzt" hat in Einfühlung und Verantwortung. New Work, Agilität, Leanmanagement und Soziokratie 3.0 machen es nun möglich, in den Phasen "Vision, Zielsetzung", "Planung und Umsetzung" und "Reflexion, Lernen und Feiern" die Veränderungskraft zu stärken und Arbeitsbedingungen zu schaffen, in denen Bedürfnisse gehört und bestmöglich auch erfüllt werden können. Wie diese Zwickmühlenbalance zwischen den Bedürfnissen der Mitarbeitenden, ebenso wie die der Kund*innen, der Einrichtung und die der Umwelt täglich neu ausbalanciert werden können, darüber arbeiten wir anhand konkreter Fragestellungen aus der Praxis der Teilnehmenden im Seminar.

PAS: Warum sollte man ein Teamboard implementieren – ein digitales oder analoges in Form einer Pinnwand?

Karin Probst: Damit man einen transparenten Überblick hat und sich sicher sein kann, dass alle Informationen jederzeit zur Verfügung stehen. Das Teamboard ist ein Marktplatz der interprofessionellen Kommunikation, hier sind alle wesentlichen Prozesse, Informationen, Ideen, Ergebnisse oder Vorhaben sinnvoll strukturiert.

Jedes Teammitglied hat die Chance, die Zielerreichung zu reflektieren, sieht die Veränderung, wenn eine Aufgabe von "Zu erledigen" auf "Fertig" gewandert ist - und kann am Teamboard mit Geschäftsführung und anderen Abteilungen schnell Entscheidungen herbeiführen. Dadurch bleibt in den Meetings mehr Zeit, um über Wichtiges sich auszutauschen. Und vor allem hilft es einem Team, die Zusammenarbeit aus mehreren Perspektiven (Kunde, Innovation, Wertschöpfung, Team-Kultur) wahrzunehmen und kontinuierlich zu verbessern.

Stop starting - start finishing: Hierbei hilft das Teamboard ganz wunderbar, es ist einfach einzuführen, macht durch die vielen interaktiven Elemente Spaß und kann aber auch manchmal zu einer homöopathischen Erstverschlimmerung führen, wenn man auf einmal sieht, bei wem die Aufgaben immer "hängen" oder wenn man auf einmal misst, wie viel Ressourcen man durch Suchen oder unklare Strukturen verschwendet...

PAS: Können Sie ein Beispiel aus dem agilen Methodenkoffer für die kontinuierliche Verbesserung der Arbeit nennen?

Karin Probst: Das agile Projektmanagement, Scrum, bietet einen wunderbaren Rahmen, um in kleinen Schritten selbstorganisiert die Zusammenarbeit, als auch die Ergebnisse zu verbessern. Ein Beispiel: Wir haben in einem Wohnheim für Menschen mit Demenz mal gemessen, wie die Mitarbeitenden in den "Feierabend" gehen, wie viel Kraft, Energie und Ruhe sie noch für Familie, Sport und einen guten Schlaf haben. Dabei haben die Mitarbeitenden festgestellt, dass sie den ganzen Tag durch das Haus rennen, um irgendetwas zu suchen. Wir haben dann im ersten Schritt mal die Schritte gezählt: Es waren pro Person ca. 14.000 Schritte pro Tag, wobei nur ca, 3.500 Schritte als "sinnvoll und wertschöpfend" empfunden wurden.

Der nächste Projektschritt war, dass alle Mitarbeitenden mal 3 Vorschläge eingebracht hat, wie man Schritte reduzieren kann - allerdings ohne die Qualität der Betreuung zu reduzieren. Es wurden daraufhin ein standardisiertes Ordnungssystem in allen Küchen und Schränken entwickelt, die Materialien dort abgelegt, wo sie nach dem "Spaghetti-Diagramm" am meisten gebraucht wurden - und dann wurde wieder gemessen: Wir konnten die Schrittzahl bereits um knapp 2.500 Schritte pro Tag senken - und dadurch Zeit gewinnen, sich in Ruhe einer Bewohnerin zu widmen, oder mal eine Pause in dem Meditationsraum zu machen.

Alle zwei Wochen wurde wieder eine Verbesserungsidee gemeinsam ausgewählt, nach einem definierten Maßnahmenplan umgesetzt, reflektiert - und die Erfolge gefeiert. Das Gefühl, Arbeit sinnvoll bewältigen zu können, gemeinsam etwas zu bewirken und mehr Zeit für die Menschen zu haben hat sich auch auf vielen Ebenen ausgewirkt und dem Team gezeigt, wie man in kleinen Schritten selbstorganisiert Verbesserungen herbeiführen kann. Weniger Dekubitus, mehr Ruhe auf Station, niedriger Cholesterin-Spiegel, Rückgang der Fehlzeiten - das waren einige der messbaren Auswirkungen von dieser Maßnahme, für die pro Woche 3 x 10 Minuten Arbeit am Teamboard von dem Team investiert wurde.

Vielen Dank für das Interview Frau Probst!

Seminare

Methodenkoffer für gute Zusammenarbeit
„In Zeiten von Fachkräftemangel, wirtschaftlichem Druck und gesellschaftlichen Herausforderungen wird leider oft die „Fellpflege“ vernachlässigt.“
Sie möchten Impulse und Kraft für neue Handlungsstrategien tanken, Sie möchten in ihrem Team etwas voranbringen? In dem Seminar Methodenkoffer für gute Zusammenarbeit erlernen Sie kleine alltagstaugliche Impulse, die einen großen Unterschied in Ihrem Team machen werden.
02. & 13.05.2024 je 13:00 - 17:00, online

Teamboard – das Tool für eine bessere Kommunikation im Team
„Wir waren so beschäftigt damit, die Hühner zu suchen, dass wir keine Zeit hatten, Zäune zu bauen…“ Praxistauglich und einfach auch in hektischen Zeiten den Fokus auf das Wichtige bewahren, Transparenz und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess fördern können: In diesem zweimoduligen Online-Seminar üben Sie mit dem Teamboard die gelassene Zielerreichung, eine ansprechende Visualisierung und förderliche Moderation der interdisziplinären Kommunikation.
26. & 30.9.2024 je 09:00 - 13:00

Weitere Seminare zur Methodenkompetenz finden Sie hier.

Kontakt und Beratung

Judith Nieder, 01577 7692794, nieder@akademiesued.org 

Dozentin Karin Probst
Karin Probst ist zertifiziert als systemische Business Coach und Agile Coach. Sie begleitet seit 1998 Unternehmen und Institutionen im Wandlungsprozess mit Training, Coaching und Beratung.

Veröffentlichungsdatum