Fachkräfte-Goldmine 55+ - Ein Gespräch mit dem Dozentinnen Duo Dr. Christine Dörner und Gabriele Bartsch

Personalentwicklung für Mitarbeitende 55+ ist ein vielversprechender Ansatz, dem Fachkräftemangel in den personalintensiven Bereichen Gesundheit, Pflege, Soziales und Erziehung zu begegnen. Doch: Wie wollen Menschen ab Mitte 50 arbeiten? Was bedeutet das für Strategie, Führung und Kultur in Ihrer Organisation? Welche Prozesse und Strukturen können Sie konkret entwerfen, damit Mitarbeitende über 55 Ihrer Einrichtung noch lange erhalten bleiben?

Wir haben uns mit dem Dozentinnen Duo Dr. Christine Dörner und Gabriele Bartsch unterhalten. Sie geben uns Einblicke darin, wie die Fähigkeiten der Gruppe 55+ genutzt werden und die Gruppe als Fachkräfte länger erhalten bleiben können. Außerdem teilen sie ihre Ansätze für ihr Seminar „Antworten auf den Fachkräftemangel: Personalentwicklung 55+ Kompaktworkshop für Geschäftsführungen, Bereichs- und Einrichtungsleitungen“ bei der PAS.

PAS:Wieso ist genau die Gruppe 55+ interessant in Bezug auf Arbeitskräftegewinnung?

CD: Wir leben länger und bleiben länger jung und fit. Aus unserer Sicht muss nicht das gesetzliche Rentenalter steigen, sondern das tatsächliche. Das gilt sicher nicht überall, aber Beschäftigte würden durchaus länger arbeiten. Das zeigen unsere Recherchen. Eine Schweizer Studie belegte bereits 2016, dass mehr als 40 % der Befragten Interesse an beruflichem Engagement im Rentenalter hat und rund 80% Erwerbsarbeit von Menschen über 65 befürwortet - allerdings auf freiwilliger Basis. Auch neue Umfragen zeigen: etliche derjenigen, die mit 63 in Rente gehen, würden länger bleiben. Das eröffnet neue Möglichkeiten!

GB: Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten immer noch als weniger leistungsfähig und flexibel – ein Vorurteil. Sie bringen Erfahrung, Stabilität, Ruhe mit. Sie haben Durchhaltevermögen. Sie kennen die Organisation. Das Faktenwissen ist bei Jüngeren aktueller, dafür haben die Älteren Erfahrungswissen. Sie sind belastbarer, wenn’s mal brenzlig wird, auch stressresilienter. Wir sollten bei der Fachkräftegewinnung nicht nur auf Nachwuchssuche gehen und im Ausland suchen. Es wäre schade, angesichts unseres Fachkräftemangels dieses Potential nicht zu heben!

PAS: In den 90ern ist man mit 55 in Frührente gegangen. Warum ist die Gruppe 55+ heutzutage eine wertvolle Ressource?

CD: Ja, in den 90er Jahren sind viele mit 55 oder 60 in Frührente gegangen, viele wollten das aber nicht. Ich hatte zum Beispiel eine Nachbarin, die mit 60 Jahren gehen „musste“ und darüber sehr unglücklich war. Sie hatte ihren Beruf sehr gemocht und war fit. Ältere sollten Platz machen für die Jüngeren, den Nachwuchs. Unternehmen haben dann gemerkt, welch wertvollen Erfahrungsschatz sie verloren haben.

GB:Mitarbeitende 55+ sind mit ihrem Erfahrungswissen eine wertvolle Ressource für Jüngere. Ich höre immer wieder, dass sie zum Beispiel auch Ausfallzeiten bei jungen Eltern kompensieren, wenn Kinder krank werden, sie sind mobiler und was die Arbeitszeit angeht auch flexibler. Sie können auch als Mentorinnen und Mentoren angefragt werden, damit neue Arbeitskräfte schneller in die Organisationskultur hineinwachsen.

PAS: Was braucht es, damit die Gruppe 55+ weiterhin in einem sozialen Unternehmen arbeiten kann und will?

CD: Anerkennung, Wertschätzung, die Möglichkeit zu flexiblerem Arbeiten, pfiffige Ideen für eine Umverteilung von Arbeit und Tätigkeitswechsel. Das bedeutet: einen neuen Blick auf die Altersgruppe der Älteren, neue Strategien und die Entwicklung dieser Strategien und neuen Ideen zusammen mit den Beschäftigten. Eine Sozialarbeiterin erzählte mir, ihre Rente sei nicht besonders hoch und ein Arbeitgeber habe sie mit Kusshand mit 30 % unbefristet eingestellt. Sie arbeitete in einem Bereich der Erziehungshilfe – eine Win-win-Situation für sie, ihre Kolleginnen und Kollegen und für die Jugendlichen. Mehr dazu im Workshop.

GB: Alters- und alternsgerechte Arbeitsbedingungen, lebenslanges Lernen, Gesundheitsprävention unterstützen die Erwerbstätigkeit Älterer. Ein Schritt ist bereits getan, die Hinzuverdienstgrenze ist abgeschafft.

PAS: Wie kommt es, dass Sie zu zweit diesen Workshop gestalten?

GB: Wir haben uns diese Themenfeld gemeinsam erarbeitet. Unser unterschiedlicher Erfahrungsschatz ist eine Bereicherung für die Teilnehmenden.

CD: Wir ergänzen uns gut. Es macht zu zweit mehr Spaß. Unsere Erfahrung zeigt, dass ein Team von den Teilnehmerinnen und Teilnehmer als bereichernd und abwechslungsreich erlebt wird.

PAS: Was ist das Ziel des Workshops?

CD: Das Ziel ist es, sich mit dem Thema "Personalentwicklung für reife Menschen" vertraut zu machen und die Führung reifer Menschen zu reflektieren, herauszuarbeiten, wie frühe, gezielte und individuelle Ansprache und das Ermöglichen individueller Lösungen gelingen und die Personalentwicklung 55 + als eine Haltungs- und Kulturfrage zu begreifen.

GB: Sie wissen um das Potential der reifen Mitarbeitenden und darum, wie Sie dies gezielt in Ihrer Organisation nutzen können - auch zum Wohl junger Mitarbeitender.  Sie entwickeln Ideen, wie Sie dieses Thema sowohl als Verband als auch in Ihren Einrichtungen angehen können.

PAS: Welche Methoden verwenden Sie im Workshop?

CD: Wir arbeiten mit Inputs, Entwicklung von Zukunftsbildern und mit sogenannten „Personas“, einer Methode aus dem Design Thinking, um positive und lebendige Bilder und konkrete Vorstellungen notwendiger Änderungen zu entwickeln. Wir analysieren Stärken und Schwächen Ihrer Organisationen und erarbeiten Lösungsstrategien im Blick auf Führung, Organisationskultur, Prozesse und ggfs. auch Weiterbildungskonzepte. Das findet im Wechsel von Einzelreflexion, Kleingruppenarbeit und Austausch in der gesamten Gruppe statt. Am Ende steht ein Konzept mit einem Zukunftsbild und einem Aktions- und Umsetzungsplan.

GB:  Der Workshop lebt auch von Ihren Erfahrungen, vom Austausch, vom Blick über den Tellerrand. Das hilft zu übertragbaren neuen Konzepten. Im Idealfall kommen Sie als Träger und als Leitungen von Einrichtungen und entwickeln gemeinsam Ihr übergreifendes Konzept. Wir bereiten mit Ihnen den individuellen Praxistransfer vor. Wichtig ist es uns, Ihnen vier bis fünf Monate später einen Reflexionsworkshop anzubieten, in dem Sie Ihre Umsetzungsschritte vorstellen, Fragen diskutieren und Ihr Personalentwicklung 55+ weiter entwickeln werden. Den Termin vereinbaren wir gemeinsam. Wir bleiben gemeinsam dran.

Wenn Ihr Interesse geweckt ist und auch Sie das Potential der Mitarbeitenden Gruppe 55+ in Ihrer Organisation ausschöpfen möchten, schauen Sie beim „Antworten auf den Fachkräftemangel: Personalentwicklung 55+ Kompaktworkshop für Geschäftsführungen, Bereichs- und Einrichtungsleitungen“ bei der PAS vorbei.

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