Mit Systemaufstellung zu neuen Möglichkeiten für Führungskräfte und Mitarbeitende - Ein Interview mit Dr. Stefan Heitmann

Buzzword „systemische Aufstellungen“ – ein Begriff hinter dem sich viel verbirgt – und auch nicht. Was verklausuliert und zuweilen vielleicht etwas esoterisch klingt, ist eigentlich eine Herangehensweise, die mit unkomplizierten Mitteln das sichtbar und greifbar macht, was sonst gerne verborgen bleibt: Die Ebene der Gefühle. Auch in einem beruflichen Kontext ist die Macht der Gefühle nicht zu unterschätzen. Sie spielen bei der Unternehmenskultur und somit auch bei der Gewinnung und Haltung von Mitarbeitenden eine große Rolle.

Wir haben uns mit Dr. Stefan Heitmann, Dozent bei der PAS, dazu unterhalten. Er ist seit vielen Jahren als Arzt und Rheumatologe tätig und wurde als System- und Organisationsaufsteller bei Dr. Friedrich Assländer ausgebildet und zertifiziert. Was systemische Aufstellungen sind, welche Vorteile sie bieten und wieso sie sich gut für das Thema ‚Fachkräfte gewinnen und fördern‘ eignen, erfahren Sie hier:

PAS: Dr. Heitmann, wie sind Sie dazu gekommen, systemische Aufstellungen zu leiten?

SH: Als Arzt und Rheumatologe habe ich immer schon den Menschen als Ganzes mit seiner Familie, Umgebung und Eingebundenheit in der Welt gesehen. Das betrifft sowohl meine Patienten als auch meine Mitmenschen und Mitarbeiter sowie deren Einbindung in Organisationen. Neben meiner Tätigkeit habe ich mich in Führungskursen fortgebildet und bin hier Menschen wie Pater Anselm Grün und Dr. Friedrich Assländer begegnet. Diese und auch die Teilhabenden haben meine Wahrnehmung für das Systemische Denken und Wahrnehmen gefördert.
Heute weiß ich, die Welt und darin die Organisationen mit ihren Menschen überleben nur, wenn sie sich den neuen, oft noch nicht bekannten Gegebenheiten stellen und neue Wege finden, keine geplanten Lösungen. Von diesen Lösungen gibt es nur eine, von den Wegen entstehen mit jedem Zusammentreffen neue, zu jedem Zeitpunkt. Diese sind viel verbindlicher, individueller.

PAS: Wie kann ich mir ein Seminar mit systemischer Aufstellung vorstellen?  Könnten Sie eine ganz konkrete Situation beschreiben?

SH: Eine Aufstellung macht eine andere Dimension des Lernens fühlbar. Lernen passiert über Wahrnehmung und Gefühle, in der Tiefe, das ist weitgehend bekannt. Nur der kleinste Teil wird mit dem Verstand mitgenommen.
Wenn ich in einer Aufstellung frage, „wie halte ich meine Mitarbeiter“, dann wird sich in der Aufstellung, in der die Führungskraft und die Mitarbeiter durch je einen Stellvertreter repräsentiert werden, durch Intuition zeigen, dass die Mitarbeiter von der „Führungskraft“ festgehalten werden, um nicht zu gehen. Ein Widerstand der Mitarbeiter wird hier in der Aufstellung zu Tage kommen und es werden durch verschiedene Aufstellungsmöglichkeiten versucht, einen Weg zu finden, der es den Mitarbeitern und „Führungskräften“ ermöglicht, einander zu sehen und wertzuschätzen samt ihren Bedürfnissen und die der Organisation (diese wird üblicherweise auch mit einem Repräsentanten aufgestellt, sowie auch die Klienten). Überhaupt geht es bei Aufstellungen erst einmal darum zu sehen und anerkennen, was ist. In zweiter Linie zu sehen, wer und was nicht gewürdigt wurde und auch, wo ein passender Platz ist, sei es in der Organisation oder im menschlichen Umfeld.

PAS: Welche Vorteile bieten systemische Aufstellungen gegenüber anderen Methoden? Für welche Themen eignet sich die Aufstellungsarbeit besonders gut und warum?

SH: Systemische Aufstellungen gehen nicht von der Sicht des Einzelnen aus, sondern nehmen das ganze System wahr.
Ein System ist aber auch nicht nur die Summe der Sichtweisen der einzelnen Repräsentanten, sondern wird durch die Änderung der Wahrnehmung (Sensing) auf einer anderen Ebene erfasst und erweitert. Da geht es im ersten Schritt erst einmal darum, was könnte mein Gegenüber wahrnehmen, ich öffne also mein Herz für andere Sichtweisen. Dann geht es darum, das Festhalten am eigenen Standpunkt zu verlassen und zusammen mit allen Repräsentanten in diesem System neue Wege zu finden, mit Hilfe der Beziehungen untereinander. Somit erfolgt eine Wahrnehmung der Beziehungen und Fähigkeiten, nicht von Fakten oder Eigenschaften einer Person.
Aufstellungen sind hier ein Hilfsmittel, mit dem die Wahrnehmung einbezogen wird und der Verstand etwas zurücktritt. Somit kann das „Wesentliche“ erfahren werden.
Aufstellungen eigenen sich Beziehungen zu klären, in Organisationen, Betrieben und in der Familie. Es können persönliche Ziele, Konflikte, selbst Unterscheidungen zwischen Moral und Gewissen aufgestellt werden. In Organisationen kann es darum gehen, was die Organisation ausmacht, warum die Mitarbeiter jeden Morgen dafür aufstehen. Es kann aber auch um Personalmanagement gehen, z.B. passt ein Mitarbeiter an die Stelle oder bei Bewerbungen, wer ist unser Kandidat?
Besonderes Interesse wird Aufstellungen beim Wandel einer Organisation gegeben: Hier geht es um ganz neue Sichtweisen.

PAS: Warum lässt sich das Thema ‚Fachkräfte gewinnen und fördern‘ so gut mit Systemaufstellungen lösen?

SH: Aufgrund von Studien (Gallup-Index) zeigt sich, dass materielle Anreize bei der Zufriedenheit am Arbeitsplatz primär untergeordnete Rollen spielen. Vielmehr gibt es eine globale Änderung der Wahrnehmungsweise, die auf einen momentan entstehenden Wandel der Unternehmenskulturen hinweist. Da gilt es mit dabei zu sein, samt Unternehmen, Organisation und Mitarbeiter*innen, sowohl Führungskräften als auch angestellten Mitarbeiter*innen. Dieser Wandel zieht neue Mitarbeiter*innen an, weil diese im Prozess mitgenommen werden. Es wird erst einmal zu einem Shift der Mitarbeitenden von rigiden Unternehmen zu Unternehmen mit Bereitschaft sich zu öffnen, geben.
Aufstellungen helfen, diese Prozesse zu verinnerlichen und auf der Beziehungsebene offen für neue Gestaltungsmöglichkeiten zu werden. Mit dieser Öffnung arbeite ich, wie es auch Otto Scharmer von der MIT mit der Theory-U beschreibt und global mit seinen Kursen interaktiv und interkulturell umsetzt. Ich nehme z.B. in der Organisation genau das mit, was da ist, nichts anderes. Ich arbeite mit dem Erkennen, dem Anerkennen und dem Würdigen von dem, was da ist, oder loszulassen, was nicht gebraucht wird. Dinge zu tun, die man kompliziert erst erlernen muss, sind nicht notwendig, da wir zusammen vorhandene Ressourcen anschauen. Diesen Ressourcen Möglichkeit zu geben, sich frei zu zeigen und eingebracht zu werden, ohne Erwartungen ohne Beurteilung, das ermöglicht Innovation und Identifikation mit der Organisation. In neuen Räumen entstehen neue Möglichkeiten, die bisher noch nicht bekannt sind.

PAS: Bei ihren beiden Aufstellungsseminaren mit der PAS sind jeweils Unterkunft und Verpflegung inkludiert. Wieso lohnt es sich, für diese Seminare ein paar Tage als Gruppe vor Ort zu sein?

SH: Für eine Zeit des Lernens für diese tiefgreifenden Themen spielt der Ort eine große Rolle. Wir haben deshalb ein Tagungshaus mit besonderer Atmosphäre ausgesucht, auch mit der Möglichkeit, sich einmal zurückzuziehen. Wir können gemeinsam in einer gleichgesinnten Gruppe wahrnehmen und lernen und darüber hinaus uns austauschen. Das führt zu einem nachhaltigen Wachstum der eigenen Ressourcen.
In einer Präsenz-Veranstaltung lassen sich die Situationen in einer Gruppe leichter aufstellen als online, wo nur bestimmte Fragestellungen angesehen werden. Bei unseren Aufstellungen lernen wir die Präsenz einer Situation in Kleingruppen und in der gesamten Gruppe wahrzunehmen. Körperreaktionen und -bewegungen sind nur live möglich.

Wenn auch Sie vom Potential der Aufstellungsarbeit überzeugt sind und gerne als Führungskraft oder als Mitarbeiter*in gerne an einer Aufstellung teilnehmen wollen bieten wir Ihnen hierzu im kommenden Jahr zwei all-inklusive Seminare. Sie treffen sich mit anderen Führungskräften oder Mitarbeitenden für drei Tage im Tagungshaus Schönenberg in Ellwangen. Hier sind Sie dazu eingeladen, ihre Anliegen mitzubringen und können Sich ihnen mit systemischen Aufstellungen zuwenden. Der Preis der Seminare inkludiert Unterkunft, Verpflegung und Tagungsgetränke. Zur Abendgestaltung können alle, die Lust haben, den Gewölbekeller des Hauses nutzen.

Interesse geweckt? Dann melden Sie sich jetzt an! Wir freuen uns auf Sie!

Fachkräfte gewinnen und fördern mit Systemaufstellung – ein interaktives Seminar für Führungskräfte

  • Anmeldeschluss: 2. September 2024
  • 25. November 2024 - 27. November 2024

Ich und mein Arbeitsplatz – Gestalten und Entfalten in meiner Organisation

  • Anmeldeschluss: 2. September 2024
  • 14. Oktober 2024 - 16. Oktober 2024

Dieses Interview gibt es auch zum anschauen auf YouTube. Schauen Sie jetzt rein!

 

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