Petra Baumgärtner M.A.

Systemische Beratung ein erfolgreiches Konzept bei der Bewältigung von Krisen - nicht nur in der Sozialen Arbeit

Petra Baumgärtner (M.A.) im Interview über das berufsbegleitenden Zertifikatsstudium Systemische Beratung - eine einjährige anwendungsorientierte akademische Weiterbildung, die von der DGSSA zertifiziert ist und am 17. April 2015 zum wiederholten Mal in Heidelberg startet. Noch bis zum 31.03.2015 kann man sich anmelden.

 

PAS: Was sind die Inhalte der Weiterbildung?

PB: Die Vermittlung der theoretischen Grundlagen des Systemischen Ansatzes, und deren Platzierung in der Sozialen Arbeit bilden die Basis des Kurses. Darauf aufbauend erfolgt die Erarbeitung des klassischen systemischen Beratungsprozesses. Im mittleren Teil steht die Arbeit an der eigenen Biographie, unter zu Hilfenahme des Gelernten, im Vordergrund. Es folgen das Thema Krise in unterschiedlichen Dimensionen und die Erarbeitung guter systemischer Praxis im Einzel- und Familiensetting. Die letzte Veranstaltung beschäftigt sich mit dem Abschluss von Prozessen, Abschieden, Übergängen und Trauer.

PAS: Wie ist das Verhältnis von theoretischer Wissensvermittlung und praktischer Anwendung?

PB: Etwa 40% der Ausbildung erfolgt in theoretischer Wissensvermittlung in unterschiedlichen Formen. Neben Präsentationen und Fachvorträgen wird in verschiedenen Settings gearbeitet. Die praktische Anwendung erfolgt ebenfalls zu 40% innerhalb der Module. Durch die Anwendung der zahlreichen systemischen Methoden auf der Grundlage von Praxisbeispiele, die die Teilnehmer/innen selbst einbringen, wird das Erlernte eingeübt und anschließend reflektiert. Die Weiterbildungssupervision nimmt etwa 20% des Umfangs ein.

PAS: Was unterscheidet die zertifizierte Weiterbildung der PAS von ähnlichen Weiterbildungsangeboten?

PB: Sie profitiert von der Verknüpfung der drei Systeme: Hochschule, freie Systemische Berater/-innen/Therapeut/-innen/Supervisoren/innen mit langjähriger Praxis in der Sozialen Arbeit. Damit bietet es ein Portfolio, welches sich wesentlich von anderen Anbietern wie z.B. Hochschulstudiengängen oder Ausbildungen an Weiterbildungsinstituten unterscheidet. Sie wurde hochschulnah entwickelt und bezieht zwei Lehrende der Hochschule als Dozenten ein. Die Skripte orientieren sich an wissenschaftlich gültigen Standards und stehen zu jedem Modul zur Verfügung.

PAS: Was bedeutet die Zertifizierung durch die DGSSA?

PB: Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Soziale Arbeit zertifiziert systemische Weiterbildungen nach ihren gültigen, verifizierbaren Standards. Damit erhält das Angebot ein Qualitätssiegel in dem Sinne, dass sie den geforderten Kriterien dieses Gremiums, das sich im Wesentlichen aus Lehrenden an Hochschulen zusammensetzt, entspricht.

PAS: Für wen genau ist diese Qualifizierung von Interesse? Für welche Berufsgruppen und aus welchen Bereichen?

PB: Es ist für alle Fachkräfte interessant, die sich mit Sozialer Arbeit, Sozialpädagogik, Pädagogik, Erziehung und/oder Bildung beschäftigen. Wesentlich ist natürlich, dass die Teilnehmer/-innen motiviert sind, sich weiter zu entwickeln und bereit sind, sich auf einen Prozess einzulassen. Die Zugangsvoraussetzungen sind eine Ausbildung als Erzieher-/in, einen Studienabschluss (Bachelor, Master, Diplom) in einem Feld der Pädagogik, Bildung o.ä., eine mindestens einjährige berufliche Praxis, sowie der Möglichkeit während der Weiterbildung in einem pädagogischen Feld tätig zu sein. Die Akademische Weiterbildung lebt in diesem Sinne von der Verknüpfung von eigener Praxis, systemischer Weiterbildung und systemisch angeleiteter Selbstreflexion.

PAS: Systemische Beratung hat sich bei der Bewältigung von Krisen sowohl präventiv als auch lösungsorientiert als erfolgreiches Konzept bewährt. In welchen Bereichen kommt die Systemische Beratung heute neben Beratungsstellen noch überall zum Einsatz?

PB: Systemische Ansätze sind tatsächlich mittlerweile in vielen Bereichen vorhanden. Neben den Feldern der Sozialen Arbeit in ambulanten, teilstationären und stationären Settings wird oft in klinischen Bereichen (Psychiatrie, Psychosomatik, Rehabilitation) systemisch gearbeitet oder ein Teil der Therapeuten arbeitet systemisch. Auch in Bereichen der Hospizarbeit und der Seelsorge finden sich viele Beispiele.

Bemerkenswerten Einfluss hat systemisches Denken in die Arbeit der Personalbereiche der Wirtschaft und Verwaltung genommen. Der Bereich der Personalentwicklung, der sich mit Potentialentfaltung, Teamentwicklung und Mitarbeiterführung beschäftigt nutzt verstärkt systemische Konzepte. Darüber hinaus haben Systemische Konzepte in der Organisationsberatung/-entwicklung ihren festen Platz. Viele Anbieter werben mit ihren spezifisch systemischen Profilen. Im Profit- sowie im Non-Profit-Bereich findet sich systemisches Arbeiten bei Weiterbildungen und Trainings in vielen Konzepten.

In der Politik zeigt sich systemisches Denken zum Beispiel bei Themen wie Globalisierung und Nachhaltigkeit. Vernetztes Denken ist Disziplinen wie der Philosophie, der Soziologie, der Physik, der Chemie und der Biologie nicht fremd. Insofern haben sie wesentlich zur Entwicklung von Systemischen Beratungsansätzen beigetragen. Sie nutzen das Denken in Systemen, um die jeweiligen Phänomene ihrer Fachrichtungen zu beschreiben und weiter zu entwickeln.

PAS: Was sind die entscheidenden Unterschiede zwischen Systemischer Beratung und gängigen Verfahren wie tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie oder Verhaltenstherapie?

PB: Den Systemischen Ansatz, also die eine Wahrheit/ Wirklichkeitsbeschreibung über das Systemische existiert nicht und das ist so zu sagen das Kernelement dieses Ansatzes. Das heißt, alles was der/die Klient/-in schildert ist ein Konstrukt. Es könnte auch ganz anders beschrieben werden. Systemiker nutzen Sprache in der Beratung/Therapie, um andere Beschreibungen – Reframes – anzubieten und damit Möglichkeitsräume mit den Klienten/innen zu öffnen. Sie beziehen das System mit ein. Das kann heißen, den Partner/die Partnerin, die Familie, das Herkunftssystem oder andere relevante Umwelten. Dies geschieht im Einzelsetting und die Beteiligten werden ohne Anwesenheit über verschiedene Methoden einbezogen oder sie werden ganz konkret zu Sitzungen eingeladen. Paartherapie, Familientherapie, Multifamilientherapie und Gruppentherapie sind gängige Settings.

Der systemische Blick bezieht die Vergangenheit und die Zukunft in die Beratung mit ein und steuert damit in der Gegenwart den Weg zu möglichen Lösungen an. In der Beratung steht die Suche nach Ressourcen und Lösungsszenarien im Vordergrund; die Problembeschreibung, der so genannte „Tanz um das Problem“ - verliert durch die Generierung von Unterschieden an Schwere. Dadurch sind Klienten/innen in der Lage sich in ihrer Selbstwirksamkeit zu erleben und damit wertschätzender mit sich und anderen zu agieren.

Die genannten klassischen Therapieverfahren orientieren sich vorwiegend an dem vom Patienten beschriebenen oder gezeigten Symptom und setzten dort mit ihren Verfahrensweisen zur Bearbeitung an. Meinem Verständnis nach setzt Tiefenpsychologie an der Bearbeitung von Themen in der Vergangenheit und Verhaltenstherapie an der konkreten Bewältigung des Symptoms in der Gegenwart an. Die Arbeit im Einzelsetting oder in Gruppen mit anderen, ähnlich betroffenen Klienten/innen steht im Vordergrund. Erfreulicherweise beziehen beide Richtungen mittlerweile intensiver die relevanten Umwelten mit ein. Auch die systemische Therapie nutzt die Öffnung hin und mit anderen Verfahren, zum Beispiel die Verhaltenstherapie in der Behandlung von Menschen mit Suchterkrankungen. Systemisch gesehen spreche ich mich gerne für ein „sowohl als auch“ aus.

Über Petra Baumgärtner:

Petra Baumgärtner ist Diplom-Sozialpädagogin (FH) und Personalentwicklerin (M.A.). Neben Ihrer Arbeit als systemisch arbeitende Supervisorin & Coach, ist sie seit 1999 auch als Referentin des Paritätischen Landesverbandes Rheinland-Pfalz/Saarland tätig.

Steckbrief - Systemische Beratung zertifiziert durch die DGSSA

  • Anmeldeschluss: 31.03.2015
  • Start:17.04.2015
  • Studiendauer: 11 Monate mit 12 Präsenzeinheiten
  • Studienort: Forum am Park, Heidelberg
  • Abschluss: Systemische/-r Berater/-in
  • Gesamtkosten: 3.100,- Euro (Ratenzahlung möglich)
  • Zielgruppe: Fachkräfte der sozialen Arbeit, Pflege Erziehung und Bildung Zugangsvoraussetzungen: formaler Abschluss als staatlich anerkannte/-r Erzieher/-in (oder vergleichbares), ein Bachelor-/Masterabschluss oder Diplom in Sozialer Arbeit/Sozialpädagogik, Pädagogik o.a. vergl. Abschlüssen. Zusätzlich mind. ein Jahr berufliche Praxis in einem Bereich der Pädagogik, Sozialen Arbeit, etc. Möglichkeit der (pädagogischen) Arbeit mit sozialen Systemen während der Ausbildung
  • Kursleiterin: Petra Baumgärtner – Termin bei ihr möglich
  • Kontakt: Jule Feldhaus, Leiterin Akademische Weiterbildung, feldhaus@akademiesued.org, 0711-2155-184

 

 

 

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