Petra Baumgärtner

Petra Baumgärtner, wissenschaftliche Leiterin der Systemischen Beratung, im Gespräch

Petra Baumgärtner wird ab dem Wintersemester 2013 das Kontaktstudium Systemische Beratung in Kooperation mit der Hochschule in Mannheim als wissenschaftliche Leiterin übernehmen. Frau Baumgärtner ist Diplom-Sozialpädagogin (FH) und Personalentwicklerin (M.A.). Außerdem hat sie eine Ausbildung als Systemische Therapeutin und Beraterin (SG) und Systemische Supervisorin und Institutionsberaterin (ifw).

Neben Ihrer Arbeit als systemisch arbeitende Supervisorin & Coach, ist sie seit 1999 auch als Referentin des Paritätischen Landesverbandes Rheinland-Pfalz/Saarland tätig. Sie hat langjährige berufliche Erfahrung in den Bereichen ambulante Hilfen zur Erziehung, stationäre Wohnungslosenhilfe (soziale Rehabilitation), mobile medizinische Rehabilitation für Menschen nach Schlaganfällen u.ä., Leitung Frauenhaus und Beratungs- und Interventionsstelle. Durch ihre Ausbildung  zur staatlich anerkannten Erzieherin verfügt sie zusätzlich über Erfahrung im Vorschulbereich und mit Kindern mit geistigen Beeinträchtigungen.

Wir (PAS) haben Petra Baumgärtner (PA) Fragen zur berufsbegleitenden akademischen Weiterbildung „Systemische Beratung“ gestellt und sehr informative Antworten erhalten.

PAS: Was sind die entscheidenden Unterschiede zwischen Systemischer Beratung und gängigen Verfahren wie tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie oder Verhaltenstherapie?

PB: Den Systemischen Ansatz, also die eine Wahrheit/ Wirklichkeitsbeschreibung über das Systemische existiert nicht und das ist so zu sagen das Kernelement dieses Ansatzes. Das heißt, alles was der/die Klient/in schildert ist ein Konstrukt. Es könnte auch ganz anders beschrieben werden. Systemiker nutzen Sprache in der Beratung/Therapie, um andere Beschreibungen – Reframes – anzubieten und damit Möglichkeitsräume mit den Klienten/innen zu öffnen. Sie beziehen das System mit ein. Das kann heißen, den Partner/die Partnerin, die Familie, das Herkunftssystem oder andere relevante Umwelten. Dies geschieht im Einzelsetting und die Beteiligten werden ohne Anwesenheit über verschiedene Methoden einbezogen oder sie werden ganz konkret zu Sitzungen eingeladen. Paartherapie, Familientherapie, Multifamilientherapie und Gruppentherapie sind gängige Settings.

Der systemische Blick bezieht die Vergangenheit und die Zukunft in die Beratung mit ein und steuert damit in der Gegenwart den Weg zu möglichen Lösungen an. In der Beratung steht die Suche nach Ressourcen und Lösungsszenarien im Vordergrund; die Problembeschreibung, der so genannte „Tanz um das Problem“  - verliert durch die Generierung von Unterschieden an Schwere. Dadurch sind Klienten/innen in der Lage sich in ihrer Selbstwirksamkeit zu erleben und damit wertschätzender mit sich und anderen zu agieren.

Die genannten klassischen Therapieverfahren orientieren sich vorwiegend an dem vom Patienten beschriebenen oder gezeigten Symptom und setzten dort mit ihren Verfahrensweisen zur Bearbeitung an. Meinem Verständnis nach setzt Tiefenpsychologie an der Bearbeitung von Themen in der Vergangenheit und Verhaltenstherapie an der konkreten Bewältigung des Symptoms in der Gegenwart an. Die Arbeit im Einzelsetting oder in Gruppen mit anderen, ähnlich betroffenen Klienten/innen steht im Vordergrund. Erfreulicherweise beziehen beide Richtungen mittlerweile intensiver die relevanten Umwelten mit ein. Auch die systemische Therapie nutzt die Öffnung hin und mit anderen Verfahren, zum Beispiel die Verhaltenstherapie in der Behandlung von Menschen mit Suchterkrankungen. Systemisch gesehen spreche ich mich gerne für ein „sowohl als auch“ aus.

PAS: Welche Themen werden in den Modulen des Kontaktstudiums Systemische Beratung behandelt?

PB: Zunächst werden theoretische Grundlagen des Systemischen Ansatzes und die Entwicklung von der Familientherapie zur Systemischen Therapie vermittelt. Darauf aufbauend folgt die Erarbeitung des klassischen systemischen Beratungsprozesses, sowie zwei Module zu systemischen Methoden. Im mittleren Teil steht die Arbeit an der eigenen Biographie, unter zu Hilfenahme des Gelernten,  im  Vordergrund. Es folgt das Thema Krise in unterschiedlichen Dimensionen und die Erarbeitung guter systemischer Praxis im Einzel- und Familiensetting. Die letzte Veranstaltung beschäftigt sich mit dem Abschluss von Prozessen, Abschieden, Übergängen und Trauer. 

PAS: Wie ist das Verhältnis von theoretischer Wissensvermittlung und praktischer Anwendung?

PB: Etwa 40% der Ausbildung erfolgt in theoretischer Wissensvermittlung in unterschiedlichen Formen. Neben Präsentationen und Fachvorträgen wird in verschiedenen Settings gearbeitet. Die systemische Arbeitsweise bietet eine Fülle von Methoden zur Erarbeitung und Vertiefung des Gelernten, so dass damit der Transfer in die Praxis gesichert werden kann.

Die praktische Anwendung erfolgt ebenfalls zu 40% innerhalb der Module. Durch Arbeitsaufträge und Praxisbeispiele, die die Teilnehmer/innen selbst einbringen wird in unterschiedlichen Kleingruppensettings konkret das Erlernte eingeübt und anschließend reflektiert.  Die Weiterbildungssupervsion nimmt etwa 20% des Umfangs ein. Dort besteht das Angebot, anhand von Praxisbeispielen aus der beraterischen Praxis, eine systemische Verknüpfung mit eigenen biographischen Anteilen heraus zu arbeiten und damit wieder professionell handlungsfähig zu werden.

PAS: Was unterscheidet das Kontaktstudium in Kooperation mit der Hochschule Mannheim von ähnlichen Weiterbildungsangeboten?

PB: Das Kontaktstudium profitiert von der Verknüpfung der drei Systeme: Hochschule, freie Systemische Berater/Therapeutinnen und langjährigen Praktikern/innen der Sozialen Arbeit. Damit bietet es ein Portfolio, welches sich wesentlich von anderen Anbietern wie z.B. Hochschulstudiengängen oder Ausbildungen an Weiterbildungsinstituten unterscheidet.

Unser Angebot stellt den Teilnehmern/innen aus den genannten Bereichen hochqualifizierte  Dozenten/innen mit ihrer jeweiligen Expertise  zur Verfügung. Inhaltlich unterscheidet sich das Angebot dahingehend, dass es auf die herausfordernde Komplexität in Feldern der Sozialen Arbeit differenziert eingeht. Es ist eine Weiterbildung, die abgestimmt ist auf die Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit und möchte den Teilnehmern/innen Unterstützung im Erwerb einer angemessenen Haltung und von professionellen Handlungskompetenzen anbieten.

PAS: Systemische Beratung hat sich bei der Bewältigung von Krisen sowohl präventiv als auch lösungsorientiert als erfolgreiches Konzept bewährt. In welchen Bereichen kommt die Systemische Beratung heute neben Beratungsstellen noch überall zum Einsatz?

PB: Systemische Ansätze sind tatsächlich mittlerweile in vielen Bereichen vorhanden. Neben den Feldern der Sozialen Arbeit in ambulanten, teilstationären und stationären Settings wird oft in klinischen Bereichen (Psychiatrie, Psychosomatik, Rehabilitation) systemisch gearbeitet oder ein Teil der Therapeuten arbeitet systemisch.  Auch in Bereichen der Hospizarbeit und der Seelsorge finden sich viele Beispiele.

Bemerkenswerten Einfluss hat systemisches Denken in die Arbeit der Personalbereiche der Wirtschaft und Verwaltung genommen. Der Bereich der Personalentwicklung, der sich mit Potentialentfaltung, Teamentwicklung und Mitarbeiterführung beschäftigt nutzt verstärkt systemische Konzepte. Darüber hinaus haben Systemische Konzepte in der Organisationsberatung/-entwicklung ihren festen Platz. Viele Anbieter werben mit ihren spezifisch systemischen Profilen. Im Profit- sowie im Non-Profit-Bereich findet sich systemisches Arbeiten bei Weiterbildungen und Trainings in vielen Konzepten.

In der Politik zeigt sich systemisches Denken zum Beispiel bei Themen wie Globalisierung und Nachhaltigkeit. Vernetztes Denken ist Disziplinen wie der Philosophie, der Soziologie, der Physik, der Chemie und der Biologie nicht fremd. Insofern haben sie wesentlich zur Entwicklung von Systemischen Beratungsansätzen beigetragen. Sie nutzen das Denken in Systemen, um die jeweiligen Phänomene ihrer Fachrichtungen zu beschreiben und weiter zu entwickeln.

PAS: Für wen genau ist dieses Kontaktstudium von Interesse? Für welche Berufsgruppen und aus welchen Bereichen?

PB: Es ist für alle Fachkräfte interessant, die sich mit Sozialer Arbeit, Sozialpädagogik, Pädagogik, Erziehung und/oder Bildung beschäftigen. Wesentlich ist natürlich, dass die Teilnehmer/innen motiviert sind, sich weiter zu entwickeln und bereit sind, sich auf einen Prozess einzulassen. Die Zugangsvoraussetzungen sind eine Ausbildung als Erzieher/in, einen Studienabschluss (Bachelor, Master, Diplom) in einem Feld der Pädagogik, Bildung o.ä., eine mindestens einjährige berufliche Praxis, sowie der Möglichkeit während der Weiterbildung in einem pädagogischen Feld tätig zu sein. Das Kontaktstudium lebt in diesem Sinne von der Verknüpfung von eigener Praxis, systemischer Weiterbildung und systemisch angeleiteter Selbstreflexion.

Systemische Beratung:

Start: 27.09.2013
Anmeldeschluss: 5.09.2013
Ort: Heidelberg
Kosten: 2.900 Euro


Kontakt:

Julia Staiger-Engel (M.A.)
Koordinatorin Akademische Weiterbildung
0711 74099367
info@akademiesued.org

 

 

Veröffentlichungsdatum