ICF - Fünf Fragen an Torsten Busch

Torsten Busch (TB), Diplom Soziologe und staatlich anerkannter Erzieher, ist seit 2011 selbstständig tätig. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Projektarbeit zu Themen wie Entwicklung neuer Angebotsformen z.B. im Bereich Teilhabe am Arbeitsleben, Personen – und Sozialraumorientierung in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung, Übergang Schule – Beruf und Umsetzung des persönliches Budget. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Anwendung der ICF im Bereich der Behindertenhilfe/Sozialpsychiatrie. Seine Firma HorizonteNord ist durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur ICF Anwendung/Schulung lizensiert.

PAS: Was steckt hinter der ICF und warum ist deren Anwendung in der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie sinnvoll?

TB: Die ICF ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Ergänzung zu der ICD-10 entwickelt worden und legt ihren Schwerpunkt auf eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen.

Man schaut nicht nur auf die Behinderung/Erkrankung, sondern betrachtet z.B. die Umwelt des Menschen mit der Frage im Hinterkopf: „Was behindert eigentlich den Menschen in seiner Teilhabe?“ oder „Was wäre möglich, wenn wir verstärkt individuell fördernde Strukturen im Lebensumfeld des Menschen mit Behinderung entwickeln würden?“

PAS: Inklusive Arbeitsmethoden wie eine personenzentrierten Lebensplanung und sozialraumorientierte Arbeitsansätze finden sich in der ICF Philosophie wieder. Was verbirgt sich konkret hinter diesen Instrumenten?

TB: Sie bieten die Möglichkeit einer individuellen Hilfeplanung mit der Darstellung von authentischen Zielen und Wünschen des Menschen, der in diesem Prozess im Mittelpunkt steht und aktiv eingebunden ist.

Leistungen der Eingliederungshilfe sollen zukünftig unabhängig von Begriffen wie voll – oder teilstationär genutzt werden. Ihre Leistungen werden dann  individuell eingesetzt werden. Der Menschen wird somit in seinem Sinne unterstützt, sei es durch individuell zugeschnittene Dienstleistungen, die z.B. dezentral angeboten werden. Daher ist der individuelle Planungsansatz notwendig, um diesen geplanten Paradigmenwechsel fachlich auch mit Leben erfüllen zu können

PAS: Können Sie ein oder mehrere Beispiel einer erfolgreichen praktischen Anwendung der ICF und von personen- und sozialraumorientieren Ansätzen nennen?

TB: Die ICF wird schon jetzt in einigen Bundesländern im Rahmen von Hilfeplanverfahren angewendet (z.B. bei dem ITP Hessen &Thüringen) Personenzentrierte Instrumente wie das persönliche Budget haben gezeigt, dass individuelle Lebensplanungen, die sich nicht an bestehende Maßnahmen orientieren, durchaus positive Ergebnisse und Entwicklungen aufzeigen, die vorher nicht absehbar waren, z.B. das Budget für Arbeit oder berufliche Bildung außerhalb von WfbM mit Übergängen auf den 1. Arbeitsmarkt.

Es ist erkennbar, dass die WfbM zunehmend ihre Angebote individualisieren und dezentralisieren. In Bamberg („Bamberger Modell“) geschah dies erfolgreich auf Grundlage des SONI  Modells aus der Sozialraumorientierung.

PAS: Durch die ICF erhält man eine ganzheitliche Betrachtung und Beschreibung des Menschen. Aber was entgegnen Sie denen, die sagen, dass die Anwendung der ICF mit einem hohen Einführungs- und Zeitaufwand verbunden ist, wofür im Berufsalltag nur wenig Zeit ist.

TB: Die Philosophie der ICF findet sich zunehmend in allen innovativen Entwicklungen der Behindertenhilfe / Sozialpsychiatrie wieder. Dieser Prozess ist meiner Ansicht nach nicht umkehrbar und zwingt uns dazu, den Focus  verstärkt wieder auf den Klienten zu richten. Sicherlich ist das am Anfang zeitaufwendig – aber eigentlich eine Kernaufgabe für alle Professionellen,  die jedoch in der Vergangenheit oft genug nicht gewollt oder eingefordert worden ist.

Die frühzeitige Auseinandersetzung mit diesen Themen im Rahmen von Schulungen erscheint daher sinnvoll und soll auch bestehende  Strukturen derart verändern, dass für den Klienten wieder  mehr Zeit zur Verfügung stehen muss.

PAS: Ihr Seminar heißt „Die ICF kennenlernen und in der eigenen Praxis erproben!“ – wie läuft der Praxisteil ab?

TB: Ergänzend zu der ICF werden Themen wie Personen- und Sozialraumorientierung bearbeitet. Die TN überlegen sich (alleine oder in Kleingruppen) aus diesen Themenbereichen ein Projekt, das sie in ihrer Arbeit erproben. Die Projekte begleite und coache ich individuell und stelle hilfreiches Material zur Verfügung.

Es geht hauptsächlich darum sich „auf den Weg zu machen“, daher müssen die Projekte für den einzelnen TN machbar sein. Wir schauen am Ende immer, wie der Bezug zur ICF darzustellen ist. Bisher haben alle TN die Projekte mit ihren Klienten als spannend und positiv empfunden, weil man sich wieder mehr Zeit für den Menschen mit Behinderung nehmen konnte.

Wir bieten zwei Seminare mit Torsten Busch zur ICF:

Die ICF kennenlernen und in der eigenen Praxis erproben!
26.09. & 14.11.2013, Heidelberg
Anmeldeschluss: 26.08.2013

Aufbaukurs - Die ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) in der Behindertenhilfe & Sozialpsychiatrie kennenlernen!
27.09.2013, Heidelberg
Anmeldeschluss: 27.08.2013

 

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